Von: Thomas Kohlruß

Die amerikanischen „Kollegen“ von Progarchives haben so eine
Kategorie „crossover prog“, da landen so Alben wie „The River – Both
sides of the story“. Nicht unpraktisch, denn bei „uns“ muss man da
öfters „New Artrock“ oder „Postrock“ oder „Rock-Pop-Mainstream“ bemühen
oder eine Kombination daraus... was ich aus „The River – Both sides of
the story“ gemacht habe, dass kann man ja im Statistikteil nachlesen.
Marco De Angelis ist schon viele Jahre im Geschäft, als Komponist,
als Produzent, als Ton-Ingenieur, als Musiker. Da war es an der Zeit für
ein eigenes Album. Und trotz seiner Begeisterung für den klassischen
Progressive Rock britischer Prägung Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre
versucht er nicht diesen zu imitieren. Ein Retroprog-Werk liegt also
wahrlich nicht vor. Im Gegenteil „The River...“ klingt sehr modern,
zeitgemäß in seinem Klanggewand. Rückbezüge kann man eher zu den
Hochzeiten des Alan Parsons Project oder zu den späten Gilmour-Pink
Floyd ziehen. Gerade „Take It Away“ klingt wie ein Überbleibsel aus den
„A Momentary Lapse of Reason“-Sessions.
So trifft elegante, oftmals elegisch-verträumte Gitarrenarbeit
(stilistisch immer wieder an David Gilmour erinnernd) auf epische
Melodiebögen, unterlegt mit moderat vertrackter Rhythmik. Die mal
kreischende, mal säuselnde E-Gitarre und sanft flirrende, flächige
Tastenklänge bestimmen wesentlich den Klang. Die Songs kommen gefällig,
nicht beliebig daher, sind aber eher weniger überraschend. Marco De
Angelis, der die überwiegende Anzahl der Instrumente selbst spielt, und
sein Drummer Cristiano Micalizzi agieren geradlinig, melodic-rockig,
aber trotzdem auf charmante Weise nicht einfältig oder stumpf. Es ist
halt irgendwie angeproggter Melodic Rock. Dem Hardcore-Progger
sicherlich zu leichtgewichtig, aber wer gerne mal im melodiösen schwelgt
oder einfach „nur“ gut, unblöde unterhalten werden will, der ist
ziemlich richtig. Ein paar elektronische Sperenzken als Synapsenreizer
gibt’s dann doch noch oben drauf, man muss ja auch Atmosphäre schaffen.
Unterstützt wird das Ganze vom hervorragenden Sänger Marcello
Catalano. Dessen angenehme und ausdrucksvolle Stimme passt ideal zur
Musik, sorgt aber nochmals für einen deutlichen Ruck in Richtung Melodic
Rock. Die beunruhigende Anzahl an Background-Sängerinnen verhalten sich
glücklicherweise recht dezent.
Wenn man nicht allzu puristisch an die Sache heran geht, ist „The
River – Both sides of the story“ ein sehr unterhaltsames, moderat
vertracktes, angeproggtes Melodic Rock-Album geworden. Macht (mir) Spaß!